Adventsgeschichte 2017
Admin/ November 24, 2018/ Archiv
Adventsgeschichte IV - 2017
Adventsgeschichte I - 2017
Adventsgeschichte II - 2017
Adventsgeschichte III - 2017
Adventsgeschichte IV - 2017
Wieso in Gottesnamen habe ich meinem Impuls nachgegeben und stehe hier in der Bergbahn? Der einzige Freie Samstag im Dezember. Die Kinder beim noch Ehemann und ich habe soviel Arbeit, die ich zu verrichten habe. Haushalt wieder mal auf Vordermann bringen. Ein Waschberg der schreit. Geschenke einkaufen und wenn schon erhältlich, ein Christbaum. Frustriert über sich selber streicht sie ihre Haare mit der Hand nach hinten. Atmet tief ein und beschliesst, die nächste Bahn nach unten zu nehmen. Wenn sie es heute nicht macht, wann dann? Was sollen alle diese Gedanken? Wäre ich zu Hause hätte ich keine Zeit nachzudenken. Dann wäre ich abgelenkt von meinen Aufgaben. Sie schaut aus der Kabine der Bergbahn und sieht ein paar Schneebedeckte Bäume. Sie sieht Bilder von sich, als sie als Kind Ende November mit dem Ski Anzug draussen war und bis zu den Knien im Schnee versank. Lachend mit anderen Kindern am Schneemann bauen. Durchfroren mit roten Backen nach Hause laufen. Ihre Mutter liess ihr ein heisses Bad ein. Danach setzte sie sich in die Küche zu den Eltern und lauschte ihren Stimmen. Sie seufzte. Das war ganz anders als heute. Nicht diese Hektik. Oder hatte sie das nur nicht bemerkt? Gab es schon früher diesen Weihnachtsstress? Wann hatte sie angefangen bei dem Konsumwahn mitzumachen?
Die Bergbahn ist angekommen. Sie stieg aus und beschloss einen Kaffee zu nehmen. Sich eine Stunde Auszeit zu gönnen. Im nahegelegenen Bergrestaurant war nicht viel los. Sie fand an einem Tisch am Fenster einen freien Platz. Die Holztäfelung erinnerte sie an ihr daheim. Melancholie breitete sich in ihr aus und plötzlich hatte sie mit den Tränen zu kämpfen. Energisch wischte sie die kullernden Perlen weg und fragte sich heute zum x-ten Mal, was in sie gefahren ist. Einfach hier zu sitzen, einen Kaffee zu geniessen und die Welt sein lassen. Sie schaute sich im Restaurant um. Nebst dem Personal war sie der einzige Gast. Sie schaute auf die Uhr. Es blieb noch Zeit für einen Kaffee bis zur Abfahrt der nächsten Bahn. In Gedanken stellte sie ihre heutige Arbeitsliste zusammen. Was sie alles erledigen möchte bis die Kinder vom Vater zurückkommen. Da haben wir auch schön versagt. Wir haben es nicht geschafft unsere Ehe zu retten. Was war eigentlich der Auslöser für das aus? Sie haben beide gearbeitet. Konnten sich und ihren Kindern mehr bieten. Jeder konnte seinen Sport ausüben. Man konnte für die gemeinsamen Ferien Geld sparen. Beide hatten ihr eigenes Auto um unabhängig zu sein. Nur gemeinsame Zeit. Die hatten sie nicht. Dafür waren sie beide am Abend viel zu müde um noch zu reden oder gemeinsam was zu unternehmen. Was sollten all diese Gedanken? Jetzt ist Schluss. Sie zahlte ihre Kaffee und machte sich auf den Weg zurück nach Hause. Als sie an der Talstation ausstieg war es schon Mittag. So jetzt aber Gas geben. Ich bin ja in der Stadt. Erledige ich zuerst die Einkäufe. Sie hetzte von Geschäft zu Geschäft und fand doch nicht die richtigen Geschenke. Es gab einfach zu viel Auswahl. Kam ein Geschenk der Vorstellung ein wenig nahe, musste man das Zubehör einzeln dazu kaufen. Geht’s noch. Ohne Pakete und ohne Baum fuhr sie nach Hause um wenigstens dort Ordnung zu schaffen. Müde schloss sie die Wohnungstür hinter sich. Sie zog sich um und inspizierte danach Zimmer für Zimmer. Die Zimmer der Mädchen sind nicht aufgeräumt. Fallen die weg mit putzen. Sie kennen die Abmachung. Ist nicht aufgeräumt, betrete ich ihre Zimmer nicht. Im Bad türmte sich die Schmutzwäsche. Na dann mal los. Während die erste Maschine lief, putzte sie lustlos das Wohnzimmer und die Küche. Ist das eine blöde Arbeit. Der Staub kommt wie ein Bumerang immer wieder zurück. Ihr Magen meldete sich. An der Spüle in der Küche ass sie ein kleines Sandwich. Sie schaute sich mit traurigen Augen um. Spürte die unangenehme Stille. Man hörte die Uhr ticken. Tick Tack. Tick Tack. Tick Tack. Mach was. Mach was. Mach was. Zorn erfasste sie. Soll ich jetzt den Rest des Tages mit Waschen verbringen? Den Abend wieder alleine verbringen? Kurz entschlossen nahm sie das Natel zur Hand und wählte die Nummer ihres noch Ehemannes. «Hallo ich Bins. Können die Mädchen ausnahmsweise heute bei dir übernachten? Können sie bis morgen Abend bei dir bleiben?» «Mir geht es nicht so gut. Weiss nicht ob ich die Grippe bekomme.» « Es geht dir? Super. Danke. Küsse die Mädchen von mir und bis morgen Abend.» Sie ging in das Schlafzimmer, packte ein paar Kleider ein. Sie hängte die Wäsche noch auf. Alles andere liess sie stehen und liegen und machte sich mit dem Auto auf dem Weg zum nächst gelegenen Wellness Hotel. Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatte, liess sie sich ein Bad ein. Wohlig in dem warmen Wasser liegend spürte sie, wie die Anspannung nachliess. Sie konnte es nicht mehr verhindern. Tränen liefen ihr über die Wangen. Leise damit sie niemand hörte.
Fortsetzung am 2. Advent
Langsam versiegten die Tränen. Erst jetzt bemerkte sie das kalte Badewasser. Fröstelnd verliess sie die Wanne und wickelte sich in das warme flauschige Badetuch ein. Ein brummeln im Magen erinnerte sie, dass sie heute nur ein Sandwich zu sich genommen hatte. Eingekuschelt in dem Badetuch studierte sie die Speisekarte vom Hotel. Soll sie überhaupt hier essen oder sich anziehen und eine Pizza besorgen? Pizza tönt gut. Hatte sie sich seit Ewigkeiten keine mehr gegönnt. Ab einem bestimmten Alter ist der Kampf Gross seine Figur zu behalten. Sie zog sich an und machte sich auf den Weg zur Rezeption um sich nach nahegelegenen Restaurants zu erkundigen. An der Rezeption warteten ein paar Leute. Sie entschied sich bei den Sesseln Platz zu nehmen in den Zeitschriften zu stöbern bis die Leute ihre Zimmerschlüssel hatten.
Auf dem Weg zu dem Platz hörte sie eine Frauenstimme die ihr bekannt vorkam. Sie drehte sich um, sah aber niemand den sie kannte. Die Frauenstimme die ihr bekannt vorkam, sah gar nicht so aus wie die Person die sie in Erinnerung hatte. Die Frau war wohl gerundet, ihr Kurz Haarschnitt passte nicht zu den Pauspäckchen. Bevor sie die Sitzgruppe erreichte, hörte sie ihren Namen. Die Frau mit der bekannten Stimme rief tatsächlich ihren Namen. Sie drehte sich ratlos um. Schon umschlossen feste Arme ihren Körper. «Kennst du mich nicht mehr? Ich bin es, Marina aus der Oberstufe!» Sie traute ihren Augen nicht. Was war denn mit der geschehen? Nichts erinnerte mehr an die Schlanke Frau von damals. «Natürlich, Marina! Wie geht es dir? Was machst du denn hier?» «Ich bin mit meiner Familie hier. Wir nehmen uns im Dezember immer bewusst ein Wochenende Auszeit. Aber das müssen wir feiern. Du hier. Hast du schon was vor? Wartest du 10 min.? Gehen wir zusammen essen.» Sie wusste nicht wie ihr geschah. Eigentlich wollte sie heute alleine sein um sich mit ihren Gedanken auseinanderzusetzen. Zu erkunden, was mit ihr war. Ihre Überlegungen dauerten ein paar Sekunden zu lange. Schon rief Marina Ihrem Mann und Kindern. «Schaut mal, wenn ich nach so vielen Jahren treffe?
Und noch in unserem Hotel? Meine ehemalige Schulkollegin Anna. Wir gehen alle zusammen essen.» Damit war es beschlossen. Marina scheuchte ihren Mann und die Kinder zum Lift um die Zimmer zu beziehen um anschliessend Anna abzuholen. Anna setzte sich ergeben in einen Sessel nahm eine Zeitschrift und schüttelte den Kopf. Was war denn das soeben? Marina, die völlig verändert aussah und sich auch sonst sehr verändert hatte. In ihrer Erinnerung sah sie Marina, Schlank mit langen Haaren. Höflich, Nett aber immer ein wenig auf Distanz haltend. Sie nahm auch nie an einem Klassentreffen teil. Naja, vielleicht verständlich, wenn man sieht, wie sich im äussern verändert hat. Sie wandte ihre Gedanken wieder auf ihre Probleme. Ehe die zu scheitern drohte. Weihnachten, ihr absolute Lieblingszeit, droht ein Fiasko zu werden. Sie eine «Heulsuse». Über allem hängt die Grosse Frage: «Was ist los mit mir?» Sie schlug die Zeitschrift auf um ihr Gesicht dahinter zu verbergen. Nur zur Sicherheit, sollten wieder tränen in den Augen glitzern. «Leiden Sie am Weihnachtsblues? Machen Sie den Test. Beantworten Sie die Fragen und lesen auf der nächsten Seite die Auswertung.» Aha, «Weihnachtsblues». Heut zu tage gibt es ein Test für alles.
Gibt es auch einen, wo ich herausfinden kann, was heute mit mir los ist? Lachen und Plappern künden die Ankunft der Familie von Marina an. Sie atmetet tief ein und aus und machte sich bereit, den Abend mit aufgestellten und fröhlichen Menschen zu verbringen. Marina kam zielstrebig auf sie zu und fragte ob sie bereit war? Nein bereit war sie nicht. Aber das dachte sie nur. Sprach es nicht laut aus. «Sicher, wohin gehen wir?» hörte sie sich sagen. Sie kennen in der Nähe vom Hotel eine kleine und feine Pizzeria. Sie haben dort einen Tisch reserviert. Wenigstens zu ihrer Pizza kam sie. Ein guter Anfang. Gemeinsam verliessen sie das Hotel und machten sich auf den Weg zur Pizzeria. Die Kinder und Marinas Mann liefen voraus. Das gab Marina die Gelegenheit endlich fragen zu Annas leben zu stellen. Anna erwartete die bekannte Frage: «Wie geht es dir?» und wappnete sich für die obligate Antwort «Gut» zu geben. «Wann hast du dich von deinem Mann getrennt?» Anna blieb mit offenem Mund stehen. «Wie kommst du darauf, dass ich mich von meinem Mann getrennt habe?» «Du bist in einem Familienhotel abgestiegen, Allein.»
Anna machte einen Schritt zur Seite um Marina anschauen zu können, stolperte und fiel in den Schnee. Ich, in einem Familienhotel? Sie rappelte sich auf, bevor die Tränen wieder ihren Weg bahnten. Fehlte noch, dass sie vor Marina heulte.
«Das ist eine lange Geschichte. Die Zeit reicht nicht aus um alles zu erzählen.» «Gehen wir zuerst gemeinsam essen. Danach habe ich die ganze Nacht Zeit für dich. ich habe das schon mit meinem Mann besprochen. Ich gehöre nachher ganz dir.» Anna wusste nicht wie sie das Angebot höflich aber bestimmt ablehnen konnte. Was sie als allerletztes wollte, mit einem Fremden Menschen über ihre Sorgen zu sprechen. «Ich weiss nur nicht, ob ich bereit bin. In meinem Kopf ist ein riesiges Chaos.» «Lass uns das später gemeinsam herausfinden» Marinas Antwort. «Du kannst dir während dem Essen überlegen wohin wir gemeinsam gehen wollen. Schau, wir sind an der Pizzeria angekommen. Hoffe du hast grossen Hunger mitgenommen.» Zur Antwort machte sich Annas Magen mit einem lauten knurren bemerkbar.
Eine gemütliche Einrichtung und wunderbarer Pizzaduft empfingen sie. Ihr Tisch befand sich in einer Nische von wo sie alles überblicken konnten. Der Kellner kam und nahm Ihre Bestellung auf. Anna hörte mit halbem Ohr der Unterhaltung der Familie zu. Ihre Augen schweiften durch das Restaurant und ihr gefiel das Ambiente. Farben und Mobiliar waren in warmen Farbtönen aufeinander abgestimmt. Viele kleine Accessoires, nicht aufdringlich, sondern gut platziert, rundeten das Bild ab. Alle Tische waren besetzt. Trotz den vielen Menschen, war der Lärmpegel gedämpft. Als ob alle Anwesenden die Atmosphäre nicht durch lautes sprechen, stören wollten. Ihre Vorspeisen kamen. So einen grossen Salat zur Vorspeise hat sie noch in keinem Restaurant erhalten. Im ersten Moment dachte sie, die haben ihr einen Salatteller gemacht. Da sah sie auf die Teller ihrer Begleitung und sah, dass die ebenfalls so gross waren. Sie wünschte allen einen «Guten Appetit» und machte sich über den Teller her. Wow, diese Sauce. Einmalig. Sie sah die Kinder und den Mann von Marina zum ersten Mal richtig an. Beide Kinder sassen mit roten Backen am Tisch und erzählten von ihren Erlebnissen auf dem Weihnachtsmarkt. Beide hatten die Haarfarbe von der Mutter. Blondbraun. Aber beide waren nicht so schlank, besser gesagt, so dünn wie ihre Mutter als sie in dem Alter waren. Genau richtig. Die Augen hatten sie vom Vater. Das brachte sie dazu, den Mann den Marina gewählt hat genauer anzuschauen. Vom aussehen her nicht unbedingt ein Mensch bei dem man stehen blieb und nachschaute. Aber wenn er sprach und lachte, leuchteten seine Augen mit. Wer war sie, dass sie sich solche Urteile fällte. Sie hatte genug eigene Probleme. Marina wollte sie in das Gespräch mit einbeziehen. Anna gab ihr das Zeichen, dass sie es genoss, einfach nur zuzuhören und ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Anna war nicht so erpicht darauf, dass das Essen schnell zu Ende ist. Hat doch Marina ihr angedroht, nach dem Essen genug Zeit zu haben um mit ihr zu reden. Während sie die Pizza assen, die doppelt so gross war als in anderen Pizzeria wo sie je war, und fantastisch schmeckte, überlegte sie sich eine Entschuldigung um dem Gespräch zu entkommen. Ihr viel einfach kein geeignetes Argument ein wieso sie nachher nicht sprechen wollte. Auf dem Weg zurück ins Hotel, war ihr immer noch keine Idee gekommen, wie sie das reden umgehen konnte. Im Lift fragte Marina nach ihrem Zimmer Nummer. Anna gab ihr diese ohne grosse Lust. «Kommen in wenigen Minuten. Ziehe bequemere Kleider an. Bis gleich.» Zurück im Zimmer schimpfte Anna mit sich selber. Sie hatte jede Gelegenheit ausgelassen um dankend abzulehnen für ihre Anteilnahme. Sie weiss ja selber nicht was los ist mir ihr. Also über was sollen sie denn reden? Es klopfte an der Türe und Marina stand mit einer Flasche «Rimus» und was zum Knabbern davor. Es gab kein zurück mehr. Wieso hatte sie nur so einen bammeln um mit jemandem zu reden? Doch, etwas wollte sie wissen. «Wieso weisst du, dass ich von meinem Mann getrennt lebe? Hat das schon die Runde gemacht?»
M: «Dein trauriger Blick spricht Bände für jemanden der hinschaut.»
A: «Ach so.»
M: «Mich hast du so ungläubig angesehen als ob du mich doppelt siehst. Ich habe mich sehr verändert. Einige ehemaligen aus der Schule nennen mich so nett Pummelchen. Nur hat noch nie jemand gefragt wie es kommt, dass ich nicht mehr Super Dünn bin.»
A: «Entschuldige. Stimmt. Ich habe dich nur an der Stimme erkannt. Ehrlich gesagt, habe ich das gleiche gedacht. Obwohl du nicht fest bis. Aber gegenüber der Schulzeit wo du auch in der Oberstufe immer noch Kindergrösse trugst, kommt es einem so vor. Dabei bist du genauso wie ich.
M: «Danke für deine Ehrlichkeit. Lass uns den Rimus öffnen und es uns auf dem Sofa bequem machen. Lässt es sich leichter reden. Wenn du reden möchtest.»
A: «Ich weiss nicht was ich dir sagen soll. Weiss ja selber nicht was ich hier in diesem Hotel soll. Geplant hatte ich, Haushalt, Wäsche und Geschenke einkaufen. Stattdessen finde ich mich am Morgen in einem Kaffee in einem Bergrestaurant. Wieder zu Hause eine Heulsuse. Dann flunkere ich meinen Mann an, damit er die Kinder bis Sonntagabend nimmt und jetzt sitze ich hier mit dir in diesem Hotel Zimmer und verstehe mich überhaupt nicht mehr. Dazu das schlechte Gewissen wo hartnäckig bleibt.»
M: «Wie lange bist du denn verheiratet?»
A: « Wir sind seit 14 Jahren verheiratet. Unsere beiden Töchter, zwölf und zehn Jahre, halten uns auf Trab und verstehen nicht, wieso ihre Eltern sich trennten. Ich verstehe es ja auch nicht. Ich komme gedanklich nicht weiter als Warum. Nach dem Warum ist leere.»
M: «Dieses berühmte Warum, wo unsere Kinder uns zur Weissglut bringen können. Du findest die Antwort nur im Gespräch mit deinem Mann. Deine, nennen wir es Auszeit, wo du dir heute nahmst, zeigt, dass du für das Gespräch bereit bist.»
A: « Hm, wenn ich mit was konfrontiert werde, was ich nicht hören möchte? Wie gehe ich damit um? Wenn er schon jemand neues hat?»
M: «Wenn, Aber, Warum, Wieso. Du machst dich selber verrückt mit dem. Ruf deinen Mann an, verabrede dich morgen mit ihm zum gemeinsamen Frühstück, hier im Hotel und erzähle im genauso wie du es mir erzählt hast. Gestehe ihm deine Ängste und Sorgen. Mache dir Gedanken darüber, wie du deine Ehe leben möchtest. Was stört dich im Alltag? An eurem Familien leben? Jede Medaille hat zwei Seiten. Es kommt immer darauf an, welche Seite du betrachtest.»
A: «Das ist so einfach gesagt. Ich weiss nicht wie lange es her ist, seit mein Mann und ich zusammen geredet haben. Am Abend nach der Arbeit sind wir beide so müde, dass wir uns vom TV-Programm berieseln lassen.»
M: « Aber nicht zu müde um den Fernseher einzuschalten😊.»
A: « Was soll das denn? Warst du noch nie zu müde zum Zuhören? Ach ich vergass, du hast dich ja verändert.»
M: «Kein Grund zum patzig werden. Ich erzähle dir gerne wie es zu meiner Veränderung kam. Mein Gefühl sagte mir, dass du ein Zuhörer benötigst. Aber wenn du willst. Ich hatte die Wahl. Leben oder Tod.»
A: « Wie gesagt. Ich weiss nicht was heute in mich gefahren ist. Entschuldige bitte. Was meinst du mit Wahl, Leben oder Tod?»
M: « Wie ich es sagte.» Das Handy von Anna läutete und unterbrach die unangenehme Situation. Auf dem Display stand er Name ihres Mannes.
* Namen der Personen sind Frei erfunden.
Vor Schreck liess sie um ein haar das Natel fallen. Es war schon späte Nacht. War was mit den Mädchen oder wieso rief er an? Mit zittrigen Fingern nahm sie den Anruf entgegen. Ihre Stimme gehorchte ihr nicht. Nach mehrmaligen Räuspern brachte sie ein «Hallo» raus. «Wo bist du Anna? Ich war bei uns zu Hause und niemand machte auf. Bist du auf den Notfall? Ist die Grippe so schlimme?» «Äh nein. Wie kommst du darauf, dass ich eine Grippe habe?» Sie hatte es noch nicht fertig ausgesprochen, erinnerte sie sich an ihre Notlüge. Scheibenkleister. Sogar das Lügen vermassle ich. «Was keine Grippe??? Was ist los? Bist du mit einem anderen Mann unterwegs?» Hilflos sah Anna zur Marina. Ihr kamen einfach nicht die passenden Worte. Marina nahm kurzerhand das Handy aus der Annas Hand und meldete sich. «Mein Name ist Marina. Ich bin eine ehemalige Schulkollegin von Anna und wir haben uns hier nach Jahren im Familienhotel wieder getroffen. Anna geht es nicht gut. Ihre Welt wie sie sie kannte, ist dabei auseinanderzubrechen und sie weiss nicht wie damit umgehen.» Aha, hm ja, hörte Anna nur noch. Da machte Marina einen aberwitzigen Vorschlag. «Kommen Sie doch morgen zum Frühstück in das Hotel Keine Werbung. Nehmen Sie für die Mädchen das Schwimmzeug mit. Sie können mit mir und meiner Familie in das Hallenbad. So haben Sie und Anna Zeit sich auszusprechen.» Anna stand mit offenem Mund da. Wollte heftig wiedersprechen. Es kam kein Ton raus. Er kommt ja so oder so nicht. Da hörte sie «Gut bis morgen um 9 Uhr im Frühstücksaal. Hübschen Abend.» und Marina beendete das Gespräch. Anna war viel zu perplex um ihr heftig die Meinung zu geigen. «Morgen, besser gesagt, heute um 9 Uhr kommt dein Mann mit den Mädchen her. Wir sollten uns schlafen legen. Damit wir am Morgen ein wenig ansehnlich aussehen. In unserem Alter sieht man ein spätes zu Bett gehen umgehend.» Marina gab ihr das Handy zurück und machte sich auf dem Weg das Zimmer zu verlassen. «Danke» kam es leise vom Sofa her und dann war Anna alleine. Langsam begann es ihr zu dämmern, dass sie morgen das ersehnte und gefürchtet Gespräch vor sich hat. Ersehnt, weil sie hoffte zu erfahren, wieso es auseinanderging, gefürchtet, was wenn sie allein die Schuld trug? Stopp, war da nicht Eifersucht in seiner Stimme als er fragte, ob sie mit einem anderen Mann unterwegs sei? Wieso war er noch bei ihnen zu Hause um zu schauen wie es ihr ging? Waren doch noch Gefühle für sie vorhanden? Mit diesen tröstenden Gedanken schlummerte sie auf dem Sofa ein. Sie erwachte sehr oft in dieser Nacht. Ängstliche und freudige Gefühle lösten sich im Rhythmus ab. Ihr Kopf fühlte sich wie in Watte getaucht an als sie um halb acht entschloss, aufzustehen. Sie machte etwas, was sie seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. Sie bestellte sich einen Kaffee und fragte, ob es im Hotel Zigaretten zu kaufen gab. Gab es nicht. Doch sie an der Rezeption wusste wer Zigaretten führten und kümmerte sich darum, dass sie zum Kaffee eine mit dabei ist. Sie nahm dankbar den heissen dampfenden Kaffee entgegen und tatsächlich waren zwei Zigis mit dabei. Sogar mit Streichhölzer. Sie begab sich auf die Hotelterrasse und genoss den heissen Kaffee. Seit sie auf Tee umstieg, gönnte sie sich den Luxus von Kaffee sehr selten. Sie zündete sich eine an und der erwartetet Hustenanfall blieb aus. Die letzte rauchte sie vor der Schwangerschaft ihrer ersten Tochter. In Gedanken versunken, was sie sich alles nicht mehr erlaubte, hörte sie sich selber denken. Ich bin ein echter Langweiler geworden. Immer korrekt, keine ungesunden Sachen mehr. Auf die Ernährung immer nach dem Trend was die Zeitungen gerade schrieben was zurzeit gesund ist. Nichts dem Zufall überlassen. Auf Festen überkorrekt sein. Kein Alkohol, nichts zu sich nehmen wo die Gefahr bestand, aus der Rolle zu fallen. Heftig drückte sie die Angerauchte Zigarette aus und stampfte entschlossen zum Bad um sich eine ausgiebige Dusche zu gönnen. Vielleicht hörten ihre Gedanken so auf. Frisch zurechtgemacht, begab sie sich in den Frühstücksraum. Eine Viertelstunde früher um einen strategisch guten Platz einzunehmen. Beim Betreten des Raumes sah sie, dass ihr Mann und die Mädchen schon mit der Familie von Marina am Tisch sassen und sich angeregt unterhielten. Dieses Wochenende ist definitiv nicht auf meiner Seite. Egal was ich denke und plane. Alles kommt anders. Ihre Mädchen sahen sie an der Türe stehen und stürmten mit strahlendem Gesicht auf sie zu. Wenigstens etwas. An jeder Hand ein Mädchen ging sie auf den Tisch zu. Küssen, nicht küssen? Was jetzt? Da stand ihr Mann auf und nahm sie in den Arm. Er verzichtet aber auf den Kuss. Enttäuscht, setzte sie sich auf den freien Platz. Da verkündete Marina auch schon: « Mädchen, Jungs und Mann. Gehen wir schwimmen. Bis später ihr zwei.» Und weg waren sie. Anna sah sich um und sah das Frühstück Buffet. «Bevor wir mit dem reden beginnen, möchte ich zuerst was essen. Ist das gut für dich?» Sie wartete die Antwort nicht ab und floh richtiggehend zum Buffet. Sie nahm mehr als das sie essen konnte. Auf Zeit spielen. Solange sie ass, konnte kein Gespräch stattfinden. Zurück am Tisch, empfing sie ein schmunzelnder Mann. Mit dem Blick auf ihren Teller, wusste er genau, was das sollte. «Wenn du mit dem Frühstück fertig bist, denke ich, gehen wir spazieren. Dabei lässt es sich einfacher reden. Geht das für dich in Ordnung?» «Sicher. Ich beeile mich.» Sie hatte keinen grossen Hunger, zwang sich aber, brav und langsam zu essen. Erst jetzt spürte sie, dass sie doch grossen Hunger hatte. Mit gutem Appetit ass sie alles auf. Gestärkt nahm sie die Jacke und machte sich mit ihrem Mann auf dem Weg nach draussen. Stillschweigend nahmen beide den Weg der durch den Wald führt. Sie brauchten Ruhe und nicht den Lärm der Strasse.
Mann: « Marina hat mir mitgeteilt, dass du ein wenig durch den Wind bist.»
Anna: « Das ist milde ausgedrückt. Seit gestern geistern Gedanken durch meinen Kopf die ich nicht einordnen kann. Dazu das Gefühl Chaos. In Minutentakt ändern die sich.»
Mann: « Bevor wir über uns, unsere Ehe und Leben sprechen. Wie ehrlich sind wir? Ich meine, sprechen wir offen über unsere Ängste, Ärger und Wünsche? Bist du bereit dazu?»
Anna: « Vor dem habe ich grosse Angst. Was wenn alles meine Schuld ist? Ich weiss nicht, ob ich mit dem umgehen kann.»
Mann: « Es gibt nie nur eine Seite der Medaille, es sind immer zwei Seiten. Wir haben beide Fehler gemacht. Stellt sich für mich die Frage, sind wir beide bereit ohne zu werten dem anderen zuzuhören? Und sind wir offen und ehrlich?»
Anna: « Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Dass ich dir mitteilen darf, was mich ärgert, was ich mir wünsche. Ich bin automatisch davon ausgegangen, dass ich alleine die Schuld trage. Ich bin dafür, dass wir offen und ehrlich über alles sprechen. Alles andere bringt ja nichts. Dann stehen wir nach ein paar Monaten wieder an der gleichen Stelle.»
Mann: « Bin dabei. Mit was fangen wir an?»
Schweigend bereitet sich aus. Womit beginnen? Es war Wochen her, oder sogar Monate, seit sie zum letzten Mal zusammen miteinander sprachen.
Anna: « Die Frage wo mich beschäftigt. Wieso bist du mir nichts dir nichts ausgezogen?»
Mann: « Ich hatte das Gefühl (schweigen) auf einem Pulverfass zu sitzen. Ich stand kurz vor dem explodieren. Am Morgen beim Aufwachen wusste ich schon, wie der Tag verlaufen wird. Immer nach dem gleichen Ablauf. Frühstücken, Arbeit, Kinder holen, Abendessen und alleine vor dem Fernseher sitzen.»
Anna: « Was kann ich dafür, dass ich am Abend noch den Haushalt habe, mit den Kindern Hausaufgaben erledigen! Ich habe wirklich keine Zeit faul vor dem Fernseher zu sitzen!»
Mann: « Wir versuchen ohne Wertung. Das sind meine Gefühle die mich begleiten.»
Anna: « Ich fühle mich im Stich gelassen. Klar ich arbeite nur drei Tage in der Woche ausser Haus. Aber wenn ich nach Hause komme, darf ich alles noch selber erledigen. Hier kommt einfach keine Unterstützung. Weder von dir noch von den Kindern.»
Mann: « Ich und die Kinder helfen nicht mehr, weil wir sehen, dass du nachher nochmals alles nachreinigst. Wir haben das Gefühl, wir machen es nicht zu deiner Zufriedenheit. Entschuldige, habe jetzt auch dein Feedback kommentiert. Ist gar nicht so einfach, einfach nur zuzuhören.»
Anna: « Ist in Ordnung. Ich glaube, ganz ohne Wertung ist unser Thema nicht möglich. Wir möchten ja herausfinden, was mit uns geschehen ist. Wo wir gerade davon sprechen. Wie unser Leben mit Kindern und Arbeit aussehen soll, darüber haben wir nie gesprochen. Eigentlich sind wir dem allgemeinen Trend gefolgt. Das beide arbeiten und die Kinder irgendwie darin Platz finden.»
Mann: «Stimmt. Heute geht man davon aus, dass die Frau weiterhin im Berufsleben bleibt. Wir sind schon zwei. Unsere Töchter sind bald aus der Schule und erst jetzt sprechen wir darüber wie wir es uns vorstellen.»
Anna: « Ist das unser Problem? Dass wir ohne Plan in die Ehe und Familiengründung sind? Das uns nach 15jähriger Ehe endlich man in den Sinn kommt darüber zu sprechen? Haben wir denn gar nichts gelernt mit älter werden?»
Mann: «Du sagst es» und lacht dabei. «Wir haben wirklich nichts dazu gelernt. Nur, so einfach wie es tönt, wird unsere gemeinsamer Weg nicht. Haben wir beide Wünsche an uns, das Leben, die Ehe, Kinder und vielem mehr. Das wird nicht einfach.»
Beide blieben stehen und schauten still in den Wald hinein. Die Gedanken waren ein und derselbe. Schaffen sie es gemeinsam weiter zu machen? Keiner wollte die Stille durchbrechen. Denn die nächsten Worte, dass spürten beide, sind Wegweisend. Anna fühlte unendliche Erleichterung, dass es eine Angelegenheit von beiden war. Nicht nur ihre. Seit gestern konnte sie endlich wieder atmen und klar denken. Sie liebte ihren Mann nach wie vor. Sie wollte mit ihm zusammen den weiteren Lebensweg gehen. Anna drehte sich zu ihrem Mann um und fragte: «Willst du weiterhin mit mir zusammen den Weg gehen? Es wird nicht einfach. Wir beide müssen lernen miteinander zu reden.»
Ihr Mann schaute sie liebevoll an. Anstelle einer Antwort nahm er sie in den Arm und sprach leise an ihr Ohr: « Es ist mir eine Ehre. Ich spüre, unsere Liebe zu einander ist so stark wie am ersten Tag.» Er lockerte die Umarmung schaute seine Frau an. «Was denkst du über die Idee nach, unser gemeinsamer Wunsch, Weihnachten in einem Chalet zu verbringen, jetzt umzusetzen? Unser erster Schritt, gemeinsam zu Wachsen und unser Erwachsen werden einzuläuten». «Nur, wenn wir unser innerer kleiner Schelm mit ein beziehen. Immer nur korrekt zu sein, ist nicht Lustig». Er schaute sie mit grossen Augen an und gemeinsam begannen sie zu Lachen, sie die überkorrekte und er der schelmische. Hand in Hand machten sie sich auf den Rückweg ins Hotel. Beide sahen ihrer Herausforderung mit Freuden entgegen.
Manuela Coaching wünscht euch Wunderschöne Weihnachtstage und en glunga Start ins neua Johr.
Eure Manuela Helena